Kinder von innen stĂ€rken đ
- Sabrina Ritz
- 16. Feb. 2022
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Apr. 2022
Das Beurteilungs- und Bewertungssystem in unseren Schulen nagt stark am Selbstwert unserer Kinder. Wie können wir Kinder dabei unterstĂŒtzen, trotzdem ein positives Selbstbild zu entwickeln und ihren Selbstwertakku aufzuladen?
Bevor ich dir Tipps mit auf den Weg gebe, wie du Kinder stÀrken kannst, möchte ich mit dir zwei Situationen teilen, die mich in den letzten Tagen beschÀftigt haben.
Botschaften von Noten und Beurteilungen
Vor ein paar Tagen erzĂ€hlte mir eine Freundin entrĂŒstet folgende Situation:
Die Tochter ihrer Schwester kam letzte Woche ganz enttÀuscht nach Hause. Sie war traurig und weinte. Als die Mutter nachfragte, was denn passiert sei, reichte ihr das MÀdchen den korrigierten Einmaleinstest (siehe Bild unten).

Obwohl ihre Tochter 30 von 40 Punkten erreicht hatte, erhielt sie nur die Note 3 mit der Bemerkung "Lernziel nicht erreicht!"
Das MÀdchen besucht die 3. Klasse. Dieses Jahr erhÀlt sie zum ersten Mal Noten.
Welche niederschmetternde Botschaft versteckt sich hinter der Note 3? Was die SchĂŒlerin von dieser Note mitnimmt, ist:
"Du genĂŒgst nicht."
Es ist reiner Wahnsinn, dass ein Kind zu Beginn seiner Schulzeit, mitten im Lernprozess (der nicht geradlinig verlĂ€uft!) eine solche Botschaft erhĂ€lt! đ
Eine weitere Situation, die mir eine Kollegin letzte Woche schilderte, möchte ich auch hier mit dir teilen:
Ihr Sohn besucht die 6. Klasse (Kanton ZH). Im MĂ€rz stehen die GymiprĂŒfungen an, welche darĂŒber entscheiden, wer nach der 6. Klasse ins Gymnasium darf und wer nicht.
An der Schule dieses Jungen ist es so, dass Kinder in der 6. Klasse in der Schule spezielle Förderlektionen zur Vorbereitung auf die GymiprĂŒfung erhalten. Voraussetzung, dass du an der Vorbereitung teilnehmen kannst, ist die Note 5.0 in Mathematik und in Deutsch.
Der Sohn meiner Kollegin möchte unbedingt ins Gymi, seine Eltern halten sich bei dieser Entscheidung zurĂŒck, unterstĂŒtzen ihn aber dabei. Das Fach, das ihm am meisten MĂŒhe bereitet, ist Deutsch. Mathe fĂ€llt ihm sehr leicht.
Nun ist es so, dass der Junge in Mathe eine 5.5, in Deutsch eine 4.5 hat. Das heisst, er darf nicht an der Gymivorbereitung teilnehmen.
Dem Kind werden also quasi folgende Botschaften mitgeteilt:"Du bist es nicht wert, dass wir Zeit in dich investieren. Wir trauen dir nicht zu, dass du es schaffst, dich zu verbessern." Mit anderen Worten: "Wir haben dich schon aufgegeben."
Unglaublich! Er erhĂ€lt gar nicht erst die Möglichkeit und die UnterstĂŒtzung, sein Potenzial zu entfalten. Er wurde quasi schon abgeschrieben, obwohl er sehr motiviert ist.
Der Junge liess sich jedoch von diesem RĂŒckschlag nicht beirren und bereitet sich nun gemeinsam mit einem anderen Freund und externer UnterstĂŒtzung auf die GymiprĂŒfung vor. Das nenn ich ein Growth Mindset! đȘđ» Ich wĂŒnsche den beiden viel Erfolg bei der PrĂŒfung! đ

"Kinder werden heutzutage verhÀtschelt"
Einige denken sich zu den genannten Beispielen vielleicht:"Na und? Das Lernziel wurde halt nicht erreicht. Das Kind muss lernen mit RĂŒckschlĂ€gen umzugehen." Oder "So ist halt das Leben. Kinder mĂŒssen lernen, dass das Leben kein Ponyhof ist. Er hat eben nicht die Voraussetzungen fĂŒrs Gymnasium."
Kinder brauchen Zeit, sich zu entfalten und Menschen in ihrem Umfeld, die an sie glauben und sie bestÀrken.
Es geht nicht darum, Kinder zu "verhĂ€tscheln", wie es oftmals heisst. Auch ich finde wichtig, dass Kinder die Erfahrung machen, zu scheitern, RĂŒckschlĂ€ge zu erleiden oder Fehler zu machen. Das heisst jedoch nicht, dass wir sie stĂ€ndig vergleichen und beurteilen mĂŒssen.
Entscheidend ist, sich darĂŒber bewusst zu sein, dass jedes Kind in seinem individuellen Rhythmus lernt und dass ein Lernprozess nicht geradlinig verlĂ€uft. Kinder brauchen Zeit, sich zu entfalten und Menschen in ihrem Umfeld, die an sie glauben und sie bestĂ€rken.
Vielmehr als beurteilen, sollten wir ihnen aufzeigen, dass wir an sie glauben und wie sie mit Fehlern umgehen und gestÀrkt aus Niederlagen hervorgehen können.
Was macht dieses Bewertungssystem mit unseren Kindern?
Leider sind obenstehende Situationen keine Ausnahme. Ein einziges Erlebnis dieser Art kann ein Kind sein Leben lang prĂ€gen. Die Bewertung nagt am Selbstwert des Kindes. Das MĂ€dchen im ersten Beispiel kann aus dieser Beurteilung Ăngste entwickeln. Die Ăngste können wiederum Blockaden hervorrufen, wenn sie nicht thematisiert und aufgelöst werden.
Beurteilungen, Bewertungen und Vergleiche haben einen signifikanten Einfluss auf:
den Selbstwert
das Selbstbild
das Selbstvertrauen
und können Ăngste auslösen: vor Versagen, Herausforderungen, vor Fehlern, vor PrĂŒfungen
Durch solche Erlebnisse entstehen GlaubenssĂ€tze ĂŒber uns. Diese laufen in unserem Unterbewusstsein weiterhin ab und limitieren uns. Viele negative GlaubenssĂ€tze entstehen durch Vergleiche mit anderen, durch Bewertung und Beurteilung:
Ich bin nicht gut genug.
Ich bin dumm.
Ich kann das nicht.
Das schaffe ich nicht.
Das konnte ich noch nie.
Mathe kann ich nicht.
Es ist aber nicht so, dass nur der Selbstwert von Kindern mit schlechten Noten leidet. Auch SchĂŒlerInnen mit ausgezeichneten Noten können durch Bewertungen und "falsches" Lob ein negatives Selbstbild entwickeln.
đđŒ Mehr dazu erfĂ€hrst du in unserem E-Book "Mit dem richtigen Mindset zu innerer StĂ€rke".
Ein Appell an Lehrpersonen
Ich bin mir darĂŒber bewusst, dass Lehrpersonen das vorherrschende Bewertungssystem nicht selbst Ă€ndern können und dass ihnen zu einem grossen Teil die HĂ€nde gebunden sind. Es freut mich auch, dass es bereits viele Lehrpersonen und Schulen gibt, die neue Wege in der Beurteilung gehen.
Und trotzdem möchte ich an dieser Stelle einen Appell an alle Lehrpersonen richten, die sich ĂŒber die nachhaltigen Folgen von Beurteilungen noch nicht bewusst sind:
Pflege einen möglichst achtsamen Umgang mit Bewertungen, Beurteilungen, Vergleichen und Noten.
Sei dir bewusst darĂŒber, welche Botschaften du mit Beurteilungen und Noten dem Kind sendest und wie diese das Kind nachhaltig prĂ€gen können.
Nutze den vorhandenen Spielraum zum Wohle der Kinder aus.
Zeige dem Kind, dass du an es glaubst.
Gehe mit den Kindern ins GesprĂ€ch und versuche zu verstehen, wo das Problem liegen könnte. Zum Beispiel oben: Vielleicht war das Kind an diesem Tag einfach sehr mĂŒde? Vielleicht fĂŒhlte es sich vom Zeitdruck total gestresst und konnte deshalb gar nicht mehr klar denken?
Versuche im Rahmen deiner Möglichkeiten auf die individuellen BedĂŒrfnisse des Kindes einzugehen. z.B. Test ohne Zeitlimite
Fokussiere auf die StÀrken und die Ressourcen des Kindes.
Denke an den Selbstwertakku des Kindes.
Ich möchte hier nicht nÀher auf den Sinn und Unsinn des Bewertungssystem an Schulen eingehen und richte nun den Fokus darauf, wie wir Kinder von innen stÀrken können.
Wie kann ich Kinder stÀrken?
Was kann ich als Elternteil tun, wenn mein Kind diesem Beurteilungssystem der Schule ausgesetzt ist und darunter leidet? Wie schaffen wir es, unsere Kinder trotz Noten und Bewertungen zu stÀrken?
Gerade weil der Selbstwert unserer Kinder aufgrund des Schulsystems oftmals sehr leidet, ist es umso wichtiger, dass sie ihren Selbstwertakku zuhause und in ihrer Freizeit aufladen können.
So kannst du dein Kind stÀrken:
Zeige dem Kind, dass du an es glaubst.
Vergleiche das Kind immer nur mit sich selbst.
Sprich mit ihm ĂŒber die Bedeutung von Noten.
Zeige ihm auf, wie es Fortschritte erzielen kann.
Sammelt gemeinsam, was das Kind schon alles gelernt hat.
Gib ihm konstruktive RĂŒckmeldungen, damit es weiss, was es konkret verĂ€ndern / verbessern kann.
Zeige auf, wie es mit Fehlern und RĂŒckschlĂ€gen umgehen kann.
Nimm seine GefĂŒhle ernst und gib ihnen Raum.
Ermögliche ihm Erfolgserlebnisse, damit es erkennt, dass es durch Anstrengung, die richtigen Strategien und UnterstĂŒtzung Fortschritte erzielen kann.
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